Sel. Maximilian Kolbe

12.8.1988

 

Im Rahmen des Gesamtthemas der diesjŠhrigen Fastenpredigten ãHeiliges Leben in der Nachfolge ChristiÒ darf ich am Abend dieses 2. Fastensonntags zu Ihnen, BrŸder und Schwestern im Herrn, sprechen Ÿber den ãWeg der stellvertretenden SŸhneÒ, den uns der selige P. Maximilian Kolbe in der Nachfolge Christi und seiner unbefleckt empfangenen, jungfrŠulichen Mutter vorbildlich vorangegangen ist.

Um aber gerecht zu sein, mšchte ich gleich am Anfang betonen, dass dieser polnische Priestermit dem deutschen Namen auch nur stellvertretend fŸr Tausende anderer Priester und katholischer Laien dient, die ebenfalls den Opferweg stellvertretender SŸhne in Tapferkeit gegangen sind und heute noch gehen.

Bei uns in …sterreich, von wo ich komme, ist erst in der vergangenen Woche der dreiteilige Fernsehfilm Holocaust gelaufen. Die Reaktion darauf war bei unseren Leuten Šhnlich wie bei Ihnen in der Bundesrepublik: nicht etwa dass die dem jŸdischen Volk gegenŸber begangenen Verbrechen in Abrede gestellt, geleugnet oder verharmlost worden wŠren – nur ganz vereinzelt geschah das -, wohl aber wurde immer wieder betont, dass es auch verschiedene andere Holocausts zu verfilmen gŠbe, etwa aus den Gulags der Bolschewiken oder aus den von den Tschechen an den Sudetendeutschen begangenen Verbrechen. Auch der Holocaust des katholischen Klerus wŸrde einen dreiteiligen erschŸtternden Fernsehfilm ergeben. Haben doch allein schon von den 5000 katholischen Priestern, die durch das KZ Dachau gegangen sind, eintausend das Opfer des Lebens bringen mŸssen. Jene aber, die im KZ Dachau nicht den Tod fanden, waren und sind jedenfalls vielfach als kšrperliche und seelische Ruinen in die Freiheit gelangt, nachdem sie vorher – oft jahrelang Furchtbares hatten mitmachen mŸssen. Wer redet heute noch davon? Ich denke beispielsweise an meinen Studienkollegen Pfarrer Andreas Rieser aus Dorfgastein, an dem man einmal in grausamster Weise ein Passionsspiel auffŸhrte, bei dem z.B. auch die blutige Dornenkršnung nicht fehlte: einen mehrfach verschlungenen Kranz aus Stacheldraht hat man ihm in das Haupt geschlagen. Dabei wurden die in der NŠhe arbeitenden jŸdischen HŠftlinge herbeibefohlen, um diesen dornengekršnten katholischen Priester befehlsgemŠ§ zu beschimpfen, zu schlagen, anzuspucken und zum Spott vor ihm ihre Knie zu beugen...

Helden waren die katholischen PriesterhŠftlinge im KZ Dachau und in anderen KZs, heldenhaft war auch die Art und Weise, wie diese katholischen Priester, von eigener Not fast erdrŸckt, halbtot vor Hunger, immer noch nach Mitteln und Wegen suchten, um den Ÿbrigen Leidensgenossen zu helfen.

BrotstŸcke und Pellkartoffel – das waren damals Kostbarkeiten, an denen im Lager nicht selten das Leben hing – wurden von den PriesterhŠftlingen verschenkt. Medikamente wurden auf verbotenen, gefahrvollen Wegen beschafft, und als spŠter – durch Intervention des tapferen Kardinals Michael Faulhaber und des Hl. Stuhls – gestattet worden war, dass sich die Priester von daheim Pakete schicken lassen durften, haben sie – trotz Androhung schwerer Strafen – Lebensmittel, Medikamente und WŠsche an ihre Leidensgenossen im KZ verschenkt.

Am schšnsten aber strahlte selbstlose priesterliche Liebe im KZ Dachau in jenen Tagen, als der Typhus ausgebrochen war und die Priester, die man bisher sorgfŠltig von den Krankenstuben ferngehalten hatte, mit der Pflege der angesteckten HŠftlinge betraut wurden. In voller Erkenntnis der Gefahr und unter freiwilligem Einsatz des eigenen Lebens haben Priester diesen Krankendienst ausgeŸbt, haben fŸr bessere ZustŠnde im Krankenrevier gesorgt und sich vor allem um die Sterbenden angenommen. Kaum ein katholischer HŠftling, der sterbend nach einem Priester verlangte, ist damals ohne den Trost der hl. Sakramente in die Ewigkeit hinŸbergegangen. UngezŠhlte Beichten haben die Priester im KZ Dachau ihren katholischen Leidensgenossen abgenommen, haben sie getršstet, aufgerichtet und gestŠrkt, auch sogar, wenn dies nur irgendwie mšglich war, durch die Spendung der hl. Kommunion. Dabei musste das alles im Geheimen geschehen, weil jedem, der sich im KZ seelsorglich betŠtigte, schwere Strafen drohten. Zudem gab es leider manche Mitgefangene, vor allem unter den Capos, denen es eine Freude war, einen Priester wegen seelsorglicher BetŠtigung bei der Lagerleitung anzuzeigen.

Im Klerus, der im KZ Dachau gequŠlt wurde, bildeten die polnischen Priester die zahlreichste Gruppe: Von ihnen kam jeder zweite zu Tode.

Es muss noch bemerkt werden, dass die 5000 katholischen Priester, von denen 1000 im KZ Dachau ihr Leben lassen mussten, fast durchwegs alle das Grauen, die Schrecken und die Leiden des KZ-Lebens im Geiste stellvertretender SŸhne in der Nachfolge des gšttlichen Schmerzensmannes ertragen und erduldet haben.

Zu den PriesterhŠftlingen in Dachau kommen in diesem heute vielfach verschwiegenen Holocaust noch die zahlreichen PriesterhŠftlinge in anderen KZs wie etwa in dem von Buchenwald, in dem von Mauthausen und in dem von Auschwitz.

Einen dieser PriesterhŠftlinge, bei dem das Motiv stellvertretender SŸhne und selbstloser Opfer- und Hingabebereitschaft besonders klar und hell aufleuchtete, hat Papst Paul VI. am 17. Oktober 1971 – wirklich stellvertretend fŸr alle anderen heldenhaften KZ-Priester – seliggesprochen. Es ist P. Maximilian Kolbe!

Viel gŠbe es von diesem heldenhaften katholischen Priester-MŠrtyrer zu berichten. Meistens kennt man nur die Tatsache, dass er stellvertretend fŸr einen Familienvater in den Hungerbunker im KZ Auschwitz und damit den sicheren, grausam durchlittenen Tod des Verhungerns und VerdŸrstens ging!

Aber das war gleichsam nur der abschlie§ende Hšhepunkt in diesem Leben stellvertretender SŸhne in der Nachfolge Christi. Dieses Motiv beherrschte ihn nicht erst in den letzten Lebenstagen im Hungerbunker, sondern hatte eigentlich sein ganzes Leben von Kindheit an geprŠgt, seit es ihm zu Bewusstsein gekommen war, er, der lebensfrohe, unternehmungslustige 10jŠhrige Bub mŸsse sogar fŸr seine harmlosen Lausbubenstreiche, mit denen er seiner Mutter Sorge bereitet hatte, SŸhne leisten.

Die bekŸmmerte Mutter hatte ihn nach so einem Lausbubenstreich gefragt: ãAch, mein armer Bub, was soll nur aus dir werden?!Ò Daraufhin verkroch er sich hinter einem Schrank, an dessen Wand ein Bild der Gnadenmutter von Tschenstochau hing. Hier lie§ er seinen ReuetrŠnen freien Lauf. Dabei hatte er dann ein Erlebnis, das er nachher nur hšchst unwillig seiner Mutter verriet: Es sei ihm die Schmerzensmutter Maria mit zwei KrŠnzen, einem wei§en und einem roten in den HŠnden erschienen, sie habe ihn voll Mitleid und GŸte angeschaut und gefragt, welchen Kranz er wolle, den wei§en, der die Bewahrung der Reinheit bedeute, oder den roten, der auf ein kommendes Martyrium hinweise. ãDa habe ich zur Gottesmutter gesagt: Ich wŠhle beide! Da hat sie gelŠchelt und ist dann verschwunden.Ò

Geht es dabei um eine Dichtung kindlicher Phantasie oder um Wahrheit und Wirklichkeit? Jedenfalls war dem Jungen von da an Ernst damit, beides in seinem Leben zu verwirklichen und stellvertretend SŸhne zu leisten. Es zeigte sich das dann besonders klar, als Maximilian Kolbe als junger Kleriker des Ordens der Franziskaner-Konventualen in Rom die ãMiliz der ImmaculataÒ grŸndete.

Der Šu§ere Anlass dazu war ein Erlebnis am Petersplatz in Rom: der junge Ordenskleriker musste damals mitansehen, wie am 24. Juli 1917 die Freimaurer anlŠsslich des 200jŠhrigen Bestehens ihrer Geheimorganisatin auf dem Petersplatz vor den Fenstern der Papstwohnung demonstrierten und schrien: ãSatan muss im Vatikan herrschen und der Papst wird sei Sklave sein!Ò

Dabei wurden schwarze Fahnen geschwenkt, auf denen der Erzengel Michael in den Klauen des Teufels dargestellt war, sowie der Papst zu FŸ§en Luzifers. Wšrtlich hat Maximilian Kolbe spŠter Ÿber die GrŸndung der Miliz der Immaculata niedergeschrieben: ãAls sich in Rom die Freimaurer immer hochfahrender und gemeiner gebŠrdeten und unter den Fenstern des Vatikans den Satansbanner entrollten, auf dem in grŠsslicher Verzerrung Luzifer den Erzengel Michael zu Boden warf und unflŠtige, gemeine Schriften gegen den Hl. Vater unter die Menge verteilt wurden, da kam in uns der Gedanke auf, wir mŸssten einen Bund gegen die Freimaurer und andere satanische MŠchte grŸndenÒ, wir mŸssten als Miliz der Immaculata unter ihrem Banner kŠmpfen, mit der wundertŠtigen Medaille in der Hand, mit einem tŠglichen Sto§gebet zur Immaculata auf den Lippen und mit dem Vorsatz im Herzen, zu beten, zu opfern und zu sŸhnen fŸr die Bekehrung der Freimaurer, dieser verbissensten Feinde der Kirche!

Als P. Maximilian Kolbe nach Abschluss seiner ršmischen Studien mit dem Doktorat der Philosophie und der Theologie und nach Empfang der hl. Priesterweihe in die Polnische Heimat zurŸckgekehrt war, widmete er sich zunŠchst – gehorsam gegen den Befehl seiner Ordensoberen – der ordentlichen Seelsorge, daneben aber baute er in verschiedenen Gruppen seine ãMiliz der ImmaculataÒ auf. Durch ein anfangs sehr bescheidenes religišses BlŠttchen mit dem Titel ãDer Ritter der ImmaculataÒ suchte er den Mitgliedern der ãMiliz der ImmaculataÒ Kampfgeist einzuflš§en.

Das BlŠttchen fand – nach vielen Anfangsschwierigkeiten und Opfern- allmŠhlich immer mehr Anklang, die Auflage wuchs.

Es blieb dann nicht nur bei diesem Presseprodukt, denn P. Max. Kolbe hatte immer mehr erkannt, welche Macht dem gedruckten Wort in der Auseinandersetzung mit dem bšsen Feind und seinen Helfershelfern zukommt.

Die verschiedenen BlŠtter, die P. Kolbe schlie§lich herausgab und redigierte, erreichten bald Millionenauflage.

Auch die Zahl derer, die in der ãMiliz der ImmaculataÒ mittaten, wurde immer grš§er und grš§er.

Schlie§lich kam es auf dem P. Max. Kolbe vom FŸrsten Lubecki geschenkten Grund und Boden rund 15 km von Warschau entfernt zur Errichtung verschiedener Baracken, die einen zum Wohnen, die anderen zum Drucken und Versenden der Zeitschriften, eine als Kapelle. Die Stadt der Immaculata, Niepokalan˜w war entstanden. Und darin mehr als tausend Milizsoldaten der Immaculata, die zusammen beteten und arbeiteten, opferten und sŸhnten in ergreifender, vorbildlicher Selbstlosigkeit und Treue zum franziskanischen Armutsideal, alles im Dienste der katholischen Wahrheit, alles nur um unter dem mŸtterlichen Blick der Immaculata und an ihrer Mutterhand das Reich Christi und Mariens aufzubauen. Der AnfŸhrer im ganzen, stŠndig weiterwachsenden Werk aber war der von Kindheit an lungenkranke, gesundheitlich schwer angeschlagene, aber von strahlendem Idealismus beseelte P. Maximilian Kolbe.

Es folgte dann noch seine kŸhne Reise nach Japan und die GrŸndung des gleichen Werkes in Nagasaki. Schlie§lich, nachdem auch dort das Werk die Anfangsschwierigkeiten Ÿberwunden hatte, die RŸckreise P. Kolbes nach Polen kurz vor Ausbruch des II. Weltkriegs.

Allzu bald sollte nun in Polen nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht das aufgebaute Werk P. Kolbes schwer behindert und dann zerstšrt werden. FŸr ihn selbst aber begann nun ein erschŸtternder Leidensweg. Er ging ihn aber sehr bewusst im Geiste stellvertretender SŸhne, gestŠrkt durch die Immaculata, der er sich vorbehaltlos anvertraut und geweiht hatte.

Was soll nun von diesem Leidensweg im Einzelnen noch berichtet werden?

In der KŸrze der zur VerfŸgung stehenden Zeit kann man aus diesem Leidensweg nur einiges auswŠhlen und darauf besonders hinweisen, denn es gŠbe da jedenfalls viel mehr zu berichten, als etwa das, was vom letzten Stadium diese Leidensweges den meisten schon bekannt ist.

Durch den Seligsprechungsprozess sind noch viele lebende Zeugen zu Wort gekommen, die viel Neues und Ergreifendes aus diesem schmerzvollen Leidensweg stellvertretender SŸhne eines vorbildlichen katholischen Priesters und Ordensmannes zu berichten wussten.

Da steht vor allem die allgemein bestens bezeugte Tatsache, dass P. Max. Kolbe sein ganzes Leben lang, besonders dann als Gefangener, zuerst im berŸchtigten Warschauer Kerker Pawiak, dann im KZ Auschwitz unter dem Lagerleiter Karl Fritsch und dem gefŸrchteten Capo Heinrich Krott – trotz aller Schikanen und QuŠlereien, die man ihm antat – immer ganz der zuversichtliche, frohe, heitere, immer lŠchelnde Priester bleib, der die anderen Gefangenen tršstete und aufmunterte, sie seelsorglich betreute, ja ihnen sogar im Geheimen religišse VortrŠge hielt, einen z.B. Ÿber Maria und die heiligste Dreifaltigkeit, einen anderen Ÿber die gšttliche Gerechtigkeit und den Wert des SŸhneleidens.

Wie unerschŸtterlich fest P. Maximilian Kolbes Glaube war, zeigt folgendes Ereignis im Kerker Pawiak in Warschau: Er war im Ordenshabit eingeliefert worden und in einer Zelle eingesperrt, in der schon 20 HŠftlinge verschiedenster Herkunft und Bildung schmachteten.

P. Kolbe erwies sich diesen Leidensgenossen gegenŸber als ungemein gŸtig und liebenswŸrdig, aufmunternd und hilfsbereit. Bald wurden zwischen ihm und den anderen Gefangenen anregende Diskussionen und religišse GesprŠche gefŸhrt. Da kam es Mitte MŠrz 1941 zu einer Inspektion in dieser Kerkerzelle durch einen hšheren SS-Mann eine schaurige Wut, er riss dem Pater den Rosenkranz vom Leib, zeigte auf das Kruzifix am Rosenkranz und schrie den Pater wŸtend an: ãDu Idiot und Pfaffenschweib, glaubst du denn wirklich an diesen Plunder?!Ò Darauf P. Max. Kolbe: ãGanz gewiss glaube ich an den Gekreuzigten!Ò Jetzt gab es fŸr den Pater auf die rechte und linke Wange so heftige Ohrfeigen, dass sich sein Mund mit Blut fŸllte. Dann die weitere Frage: ãGlaubst du jetzt immer noch?Ò Und wieder die Antwort P. Kolbes: ãO ja, und wie ich daran glaube!Ò Jetzt nochmals eine Reihe von Ohrfeigen und FaustschlŠgen unter schaurigen FlŸcken aus dem Mund des SS-Mannes: ãJetzt sag mir, du Pfaffe, ob du immer noch glaubst?Ò ãJa, jetzt noch stŠrker und fester!Ò Da sausten von diesem fast 2 m gro§en Mann FaustschlŠge ohne Zahl auf P. Max. Kolbe, bis er wie ein zertretener Wurm in einer Ecke der Kerkerzelle zu liegen kam und nicht mehr aufstehen konnte. – Als sich dann der brutale SS-Mann entfernt hatte und sich die Zellengenossen erschŸttert und weinend zu dem in der Ecke liegenden P. Maximilian Kolbe hinschlichen, da tat er den Mund auf und sagte: ãMeine lieben Freunde, weint nicht, freut euch mit mir. Ich ertrage das alles zur SŸhne, fŸr die Rettung der Seelen und fŸr meine ãMamusiaÒ, fŸr die Immaculata!Ò

Kaum hatte P. Kolbe im Inferno des Pawiak-GefŠngnisses das €rgste Ÿberstanden, wurde er in das KZ Auschwitz Ÿberstellt. Hier wurde der begonnene Leidensweg steiler und steiler, es ging wirklich mit dem gšttlichen Schmerzensmann hinauf nach Golgotha.

Am 3. Tag nach der Einlieferung im KZ Auschwitz kam der Lagerleiter Karl Fritsch zu den Neueingelieferten, rief alle Priester unter diesen zu sich und befahl ihnen, ihm zum Kommando Babice zu folgen. Hier vertraute Karl Fritsch den P. Maximilian Kolbe und die anderen Priester der Sonderbehandlung durch den kriminellen Capo Heinrich Krott an, der sich zu einem Spezialisten im Fertigmachen und Erledigen der ihm Ÿbergebenen Gefangenen ausgebildet hatte. Der Lagerleiter Fritsch sagte zu Krott: ãIch habe diese Parasiten und Faulenzer  zu dir gebracht, damit du ihnen das Arbeiten beibringst!Ò Capo Krott lachte grinsend und sagte: ãSeien Sie beruhigt, ich wei§ recht gut, was ich zu machen haben!Ò Das besorgte er dann auch grŸndlich an P. Maximilian Kolbe: Er wurde den HolzfŠllern zugeteilt, die dann  auf ihren Schultern das gefŠllte Holz im Gewicht von 70 – 80 kg auf einem holprigen Weg von etwa 4 km zum Lager zu schleppen hatten. 14 stunden schwerster Arbeit und dann der schwere Holztransport auf den eigenen Schultern und zwar im Laufschritt; wer da nicht mitkam, wurde verprŸgelt. Oft brach P. Kolbe auf diesem Kreuzweg zusammen, Leidensgenossen wollten ihm wieder aufhelfen und die Last abnehmen, aber Capo Krott lie§ das nicht zu, er versetzte dem auf dem Boden Liegenden der Reihe nach Fu§tritte...

Einmal konnte P. Kolbe všllig erschšpft und entkrŠftet wirklich nicht mehr auf. Da lie§ Capo Krott den am Boden Liegenden mit den herbeigeschleppten HolzknŸppeln total zudecken; P. Kolbe sollte darunter krepieren. Er hŠtte hier wohl wirklich sein Leben beendet, wenn nicht Leidensgenossen ihn noch rechtzeitig in das Lagerspital gebracht hŠtten. Wochenlang schwebte er hier zwischen Leben und Tod, aber nie verlor er den Mut, immer war er ganz in den Willen Gottes ergeben und oft kamen die Worte Ÿber seine Lippen: ãAus SŸhne mšchte ich fŸr Christus gerne noch mehr leiden!Ò

Als er dann im Spital halbwegs wieder zu KrŠften gekommen war, nahm er sich selbstlos, gŸtig und hilfsbereit der anderen Kranken im Lagerspital an und stand ihnen priesterlich bei, tršstete sie und betete mit ihnen. Sogar nachts kamen die Kranken verstohlen zu ihm, um sich bei ihm Rat und Trost zu holen. Immer mehr wurde P. Maximilian Kolbe wegen seiner GŸte, LiebenswŸrdigkeit und Hilfsbereitschaft geschŠtzt. Das konnte natŸrlich der Lagerleiter mit seinen Capos nicht mehr lŠnger ansehen, viel zu frŸh schickte er P. Kolbe wieder weg aus dem Spital und wieder zur gewohnten harten Strafarbeit.

Weil P. Kolbe aber zur harten HolzfŠllerarbeit doch noch všllig unfŠhig war, wurde er dem KartoffelschŠler Kommando zugeteilt. Auch in diesem Kommando gewann P. Kolbe schnell die Sympathie der 200 StrŠflinge, die hier an der Arbeit waren. Auch hier flš§te P. Kolbe den armen Gefangenen Mut und Geduld und Vertrauen in die Hilfe von oben ein. Bald schon wurde auch im KartoffelschŠler Kommando gemeinsam unter Anleitung von P. Kolbe gebetet. Er war auch hier ganz Priester, selbstlos, hilfsbereit, alles ertragend im Geiste der stellvertretenden SŸhne.

Dann kam jener verhŠngnisvolle Tag Ende Juli 1941: Beim Abendappell, zu dem die Gefangenen antreten mussten, stellte sich heraus, dass vom Block 14, zu dem P. Maximilian Kolbe gehšrte, ein Gefangener fehlte. Einer muss geflohen sein. Sofort wurde Alarm gegeben. Gestapoleute mit ihren Suchhunden machten sich auf Jagd nach dem Geflohenen. Furchtbar die Stimmung bei den zum Appell angetretenen HŠftlingen. Denn man wusste schon, wie der Lagerleiter Karl Fritsch reagierte, wenn ein GeflŸchteter nicht mehr erwischt werden konnte. Fritsch pflegte sich dann aus den Blockangehšrigen, zu denen der Geflohene gehšrte, willkŸrlich 10 HŠftlinge herauszuholen, die stellvertretend fŸr den Entflohenen bŸ§en mussten.

Tags darauf wurden alle Gefangenen auf den Lagerplatz getrieben zum Morgen-Appell. Hier teilte der Lagerleiter mit, dass der Entflohene noch nicht gefunden worden sei. Dann lie§ er wieder alle abtreten mit Ausnahme der Leute vom Block 14. Sie wurden von schwer bewaffneten SS-Leuten umstellt, dann zur Habt-acht-Stellung gezwungen und mussten so unbeweglich bei sengender Sonne stundenlang vom Morgen bis zum Abend stehen.  Um 18 Uhr, als die Gefangenen der anderen Blocks von ihren ArbeitsstŠtten wieder heimkehrten, hšrte sich der LagerfŸhrer Karl Fritsch zuerst noch den Rapport seines Adjutanten Palitsch an, dann stellte er sich vor die Gefangenen des Blocks 14 und gab folgenden Beschluss bekannt: ãDer Entlaufene ist noch nicht gefunden. So werden 10 von euch im Hungerbunker sterben. Das nŠchste Mal werden es 20 sein!Ò

Jede Gefangene von Block 14 fŸhlte sich nun zum Tod verurteilt, denn niemand wusste, wer die zehn AuserwŠhlten sein wŸrden;  die Wahl traf ja Fritsch nicht durch AbzŠhlen, so dass jeden Zehnten das furchtbare Urteil getroffen hŠtte, sondern er suchte sich ganz willkŸrlich da und dort einen heraus, bis die Zahl 10 voll war. Er schritt mit seinen Stiefeln die erste Reihe ab und wŠhlte da einen aus, dann in der zweiten, in der dritten Reihe. Immer hielt er ganz zufŠllig vor einem an, befahl ihm, den Mund zu  šffnen, die ZŠhne zu zeigen, die Zunge herauszustrecken und schaute dem Betreffenden wie ein untersuchender Arzt in die Mundhšhle oder sagen wir richtiger wie ein ViehhŠndler  und Metzger, der dem Schlachtochsen ins Maul schaut, ob er gutes, gesundes Schlachtfleisch abgibt.

Der Adjutant von Karl Fritsch, Palitsch, musste die Nummer des ãErwŠhltenÒ auf die Liste setzen. ãAuf Wiedersehen, Freunde!Ò, sagte einer dieser ErwŠhlten.  Ein anderer rief noch: ãEs lebe Polen, fŸr das ich mein Leben gebe!Ò Dann aber kam aus dem Mund eines ãErwŠhltenÒ der Verzweiflungsschrei: ãMeine arme Frau, meine armen Kinder, lebt wohl, lebt wohl!Ò Es war der Feldwebel Franz Gajowniczek, der verzweifelt aufheulte. ãNehmt ihm die Schuhe!Ò So ordnete ein SS-Mann an. Die Holzpantoffel wurden ihm genommen und die Ecke geworfen.

Als nun alle 10 Opfer ausgesucht waren, ging ein Aufatmen durch die Reihen der Verschonten. Nach den furchtbaren Stunden entsetzlicher Existenzangst schlug das Herz vieler fast  in trostvoller Freude darŸber, dass sie verschont geblieben seien. In diesem Augenblick allgemeiner Beruhigung bei den Verschonten reifte in einem von ihnen der ganz und gar unerwartete Entschluss: Die Nr. 16670 trat aus der Reihe und ging mit fest entschlossenem Schritt auf den Lagerleiter zu. Ein leises FlŸstern ging von einem zum andern Gefangenen: ãWer ist das? ãWas macht der da?Ò ãWas will er?Ò ãIst er verrŸckt?Ò Die €ltesten der Gefangenen von Auschwitz wussten doch zu gut: Ohne strikten Befehl darf es im Lager keiner wagen, die Reihen zu verlassen und gar auf den Lagerleiter zugehen! Das Durchbrechen der eisernen Lagerdisziplin war etwas so Unerhšrtes. Auch die SS-Wache war so Ÿberrascht, dass keiner zur warnenden Signalpfeife griff. Sogar der Lagerleiter war auf den ersten Blick fassungslos: ãWas wagt der Kerl nur?Ò dann aber schrie er ihn an: ãHalt! Was will dieses polnische Schwein von mir?Ò

Da ging auch schon durch die Reihen neuerdings ein leises FlŸstern: ãEs ist P. Maximilian Kolbe! Ja, P. Kolbe ist es, der Franziskaner von Niepkalan˜w!Ò Die Nr. 16670 war nun keine blo§e Nummer mehr, sie war nun ein Mensch mit Namen und Beruf! ã Was will er nur bei diesem unerhšrt gewagten Gang hin zum Lagerleiter? Wei§ er nicht, was er damit riskiert?Ò so fragten sich alle Gefangenen.

Da stand er nun vor dem Lagerleiter, nahm die MŸtze ab, nahm Habt-acht-Stellung an und sagte: ãIch mšchte stellvertretend fŸr einen von diesen zehn sterben!Ò

ãWarum?Ò fragte ganz Ÿberrascht  Karl Fritsch, von dem man es noch nie erlebt hatte, dass er eine Lager-Nummer ansprach oder gar damit diskutierte. P. Kolbe aber begriff sofort, dass jetzt in diesem Augenblick eine zu betont herausgestellte heroische Haltung alles verderben kšnnte. Es ist besser, dem Lagerleiter, der sich spŸrbar psychologisch in Schwierigkeiten befand, einen RŸckzieher zu ermšglichen mit dem Hinweis auf einen zwar nicht geschriebenen, aber immer in der Praxis angewandten Paragraphen der Nazigesetzgebung: dass nŠmlich zunŠchst die Kranken und Schwachen und Unproduktiven liquidiert gehšren. So gab nun der 41jŠhrige P. Kolbe auf die Frage, warum er fŸr einen der zehn ErwŠhlen stellvertretend sein Leben opfern wolle die Antwort: ãIch bin alt und tauge fŸr nichts mehr. Mein Leben dient fŸr nichts Gro§es mehr...Ò

ãUnd fŸr wen willst du denn sterben?Ò war nun die Frage des Lagerleiters. ãFŸr den da, er hat Frau und Kinder...Ò. Und P. Kolbe zeigte auf den Feldwebel Franz Gajowniczek. ãAber wer bist du denn eigentlich?Ò ãEin katholischer Priester!Ò war die Antwort. P. Kolbe sagte nicht: Ich bin ein Ordensmann oder: Ich bin  Franziskaner oder: Ich bin der GrŸnder der Miliz der Immaculata. Nein, schlicht und einfach: ãIch bin katholischer PriesterÒ. Und P. Kolbe sagte das wieder um dem Lagerleiter Karl Fritsch einen gŸltigen Grund zu liefern, damit er sein Angebot annehmen kšnne, denn die Priester nahmen in der Wertskala des Lagers Auschwitz den vorletzten Platz ein; der letzte Platz war fŸr die Juden reserviert. Nach den jŸdischen Schweinen folgten sofort die Pfaffenschweine, fŸr sie waren die entnervendsten Arbeiten ausgedacht worden, ihnen wurden mit grš§ter Vorliebe die meisten und heftigsten Peitschenhiebe zugedacht; gedemŸtigt, zertreten, zum menschlichen Auswurf erniedrigt, traf die Priester der ideologische Hass der SS am allermeisten.

ãEr ist ein Pfaffe!Ò So sagte Karl Fritsch schlie§lich, indem er sich an seinen Adjutanten Palitsch wandte. ãIch nehme an!Ò Und Palitsch strich auf der Liste die Nr. 5659 des Feldwebels Gajowniczek aus und setzte an ihre Stelle die Nr. 16670 von P. Kolbe.

Alles war wieder in Ordnung gebracht. Die Rechnung stimmte wieder. Aber das ganze Lager schien mit seinen Bewohnern nun wie versteinert. In Auschwitz war das doch noch nie geschehen, dass ein Gefangener sein Leben fŸr einen anderen, der ihm noch dazu všllig unbekannt war, angeboten hatte. Zum ersten Mal war im finsteren Reich des Hasses das Licht selbstlosester, stellvertretend sich opfernder Liebe aufgeleuchtet gemŠ§ dem Wort Christi: ãGrš§ere Liebe hat niemand als wer sein Leben hingibt fŸr seine Freunde...Ò

Die zehn Opfer wurden entkleidet. Dann wurden sie in den Hungerbunker gefŸhrt, als letzter in der Reihe P. Maximilian Kolbe, mit dem Gebet auf den Lippen: ãO meine Herrin, o meine Mutter, dir bringe ich mich ganz dar...Du hast Wort gehalten! Zum wei§en Kranz der bewahrten Reinheit kommt nun der rote Kranz des Martyriums! DafŸr bin ich bereit. Ich habe schon als Bub die Wahl getroffen!Ò

In der dunkelsten Dunkelhaft des Hungerbunkers kam nun fŸr die zehn eine schaurige Agonie des Verhungerns und Verdurstens. Und  doch kam in dieses schaurige Dunkel tršstliches Licht von oben hinein, weil der Priester Maximilian Kolbe alle aufrichtete und tršstete und ihnen vorbetete. Sogar gesungen wurde mit letzter Kraft. Gebete und religišse Lieder, vor allem Marienlieder erklangen in diesem Kerker.

TŠglich kam SS-Inspektion in den Hungerbunker, um nachzusehen, wie weit der Schnitter Tod schon seine Arbeit getan habe. Der polnische Strafgefangene Bruno Borgoviec musste dabei die SS-MŠnner begleiten, um die bereits Krepierten – wie es im Befehl hie§ – hinauszuschaffen und die  Kadaver zum Krematorium zu bringen.

14. August 1941: Nur noch ganz schwach wurden Gebete geflŸstert. Die letzten vier, die noch am Leben waren, konnten nicht mehr. Drei lagen total fertig am Boden, sahen nichts mehr, hšrten nichts mehr, nur noch letzte Zuckungen. Einer aber kniete noch bei der letzten Kontrolle aufrecht da und schaute die SS-MŠnner mit seinen hellen Augen lŠchelnd an; er, der gesundheitlich von allen Zehn am schwŠchsten war und der wohl am meisten gequŠlt und schikaniert worden war, lebte immer noch, hatte den anderen der Reihe nach durch sein tršstendes Wort und durch sein Gebet hinŸbergeholfen in eine glŸckliche Ewigkeit. Nun war auch er an der Reihe, denn der Bunker musste gerŠumt werden fŸr andere Opfer...So wurde dem Lagerarzt Dr. Boch telefoniert. Er solle mit einer Karbolspritze auch dieses Leben beenden. Der Arzt stieg hinab in den Bunker. Er sah, dass die anderen drei schon ausgelitten hatten. Dann kam er zu P. Kolbe. Dieser hockte noch bei vollem Bewusstsein da und betete. Ganz bewusst bot er, als der Arzt zu ihm kam, diesem seinen Arm fŸr die Spritze dar. Der Pole Bruno Borgovierz, der dabei war, hat das berichtet und im Seligsprechungsprozess ausgesagt. P. Kolbe hatte keine Angst vor dem Tod. Er wusste, seine angebotene stellvertretende SŸhne hatte nun den Hšhepunkt erreicht. Nun kann er mit Christus am Kreuz sprechen: ãEs ist vollbracht!Ò Die offenen, hellen Augen schauten nach vollbrachtem Martyrium – so erzŠhlt es der polnische Zeuge- auf einen fixen Punkt, als ob von dort jemand dahergekommen wŠre. Es wird wohl die Immaculata gewesen sein, die P. Maximilian Kolbe entgegenkam, um ihm die beiden KrŠnze darzureichen.

Stellvertretende SŸhne in der Nachfolge Christi. Der Familienvater Franz  Gajowniczek, der heute noch lebt, sagt sich wohl jeden Tag aufs Neue: ãEr starb fŸr mich!Ò

Was P. Maximilian Kolbe getan hat, tat er nur in der Nachfolge Christi, der stellvertretend fŸr uns alle sein Leben hingeopfert hat und jeder von uns muss es sich sagen: ãEr starb fŸr mich!Ò Vergessen wir es doch nicht. Denken wir daran. Gerade jetzt in der Fastenzeit und kommenden Passionszeit. Das grš§te, das siegreichste Holocaust, das Ganz- und Brandopfer zur Erlšsung der gesamten Menschheit hat er fŸr uns alle gebracht, der menschgewordene Gottessohn, der sich zum sŸhnenden Gottesknecht und Lamm Gottes gemacht hat, das die SŸnden der Welt hinwegnimmt.

FŸgen wir uns doch immer wieder in seine stellvertretende SŸhne ein wie es P. Maximilian Kolbe getan hat, der Priester, der Ordensmann, der Ritter der Immaculata, der fŸr uns alle, fŸr uns Priester und fŸr die katholischen Laien in unserer Zeit des Glaubensabfalls und der Untreue gegen Gottes Gebote ein strahlendes Vorbild ist. Amen